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Straßen-Neugestaltung unter den Aspekten Alleenschutz, Verfahrensrecht und Öffentlichkeitsarbeit – ein Beispiel aus Bad Doberan (2014)

Mecklenburg-Vorpommern verfügt seit 1992 über eine eigenständige Schutzregelung für Alleen, festgeschrieben in § 19 des Naturschutzausführungsgesetzes (NatSchAG M-V) und gestützt durch Art. 12 der Landesverfassung. Sie beeinflussen direkt Verfahren im Straßen- und Städtebaurecht, stoßen jedoch auf Herausforderungen, da Straßenbäume einen Extremlebensraum darstellen, der weit von den optimalen Bedingungen für Bäume entfernt ist. Daher wird in diesem Beitrag ein Beispiel für eine zukunftsfähige Lösung vorgestellt, das auch ohne spezifische Alleenregelung als Vorbild dienen kann.
Der Beitrag beleuchtet die Stadt Bad Doberan, die westlich von Rostock liegt und reich an historischer und kultureller Bedeutung ist.
Die Goethe-Straße in Bad Doberan, ursprünglich ein Weg entlang der Bahnstrecke Doberan-Heiligendamm, wurde ab den 1890er Jahren zur Straße mit Villen ausgebaut und um 1901/02 mit 50 bis 60 Linden bepflanzt. Jahrzehntelange Baumaßnahmen, wie Leitungsverlegungen und Pflasterarbeiten, führten zu Fällungen, Wurzelschäden und Gehwegverwerfungen. Die Goethe-Straße wurde als einseitige Baumreihe nach § 19 NatSchAG M-V geschützt, was Eingriffe wie Fällungen nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt.
Ein Baumgutachten zeigte jedoch, dass 17 der noch 20 Linden nur eine mittelfristige Lebenserwartung hatten und der Zustand durch die geplante 15-monatige Sanierung weiter verschlechtert würde. Aufgrund dieser Prognosen und des desolaten Zustands der Straße entschied die Naturschutzbehörde, dass der Erhalt der Bäume unverhältnismäßig aufwendig und nicht nachhaltig sei. Stattdessen wurde eine Befreiung vom Alleenschutz genehmigt, mit der Auflage, die Baumreihe vollständig zu ersetzen.
Die Neupflanzung bot die Möglichkeit, historische Fehler zu korrigieren. Den neuen Linden wurde ein großzügiger Wurzelraum von über 20 m³ geschaffen, durch Betonrahmen mit offener Unterseite und Tiefenlockerung, die Wasser- und Luftversorgung sicherstellen. Dies gewährleistet eine artgerechte Entwicklung der Bäume und verbindet den Erhalt des Alleenschutzes mit modernen Anforderungen an Stadtbäume.
Die Öffentlichkeitsarbeit im Projekt zur Goethe-Straße wurde trotz fehlender rechtlicher Verpflichtung umfassend und proaktiv gestaltet. Ziel war es, die betroffenen Anwohner frühzeitig einzubeziehen und Akzeptanz für die Maßnahmen zu schaffen. In einer öffentlich angekündigten Veranstaltung wurden das Projekt und die Entscheidungsabsichten erläutert. Die Diskussion verlief ausgeglichen zwischen Befürwortern und Gegnern der Baumfällung, wobei auch kritische Stimmen eingebunden wurden, darunter der BUND.
Die Bevölkerung wurde regelmäßig über die Fortschritte informiert, und die Behörde stand während der Umsetzung als Ansprechpartner vor Ort zur Verfügung. Diese offene Kommunikation trug dazu bei, das Verständnis für die Maßnahmen langsam zu steigern. Am Tag der Verkehrsfreigabe zeigte die spontane Organisation eines Festes durch Anwohner die gewachsene Akzeptanz und die positive Wirkung des Dialogs. Letztlich trug die kontinuierliche und transparente Öffentlichkeitsarbeit entscheidend dazu bei, die widerstreitenden Interessen zu einem Konsens zu führen.

Autor: Dipl.-Biol. Wolf-Peter Polzin
Jahr: 2014
Titel: Straßen-Neugestaltung unter den Aspekten Alleenschutz, Verfahrensrecht und Öffentlichkeitsarbeit
Untertitel: ein Beispiel aus Bad Doberan
Seiten: 39-52

In:
Titel: Jahrbuch der Baumpflege 2014
Auflage: 18. Ausgabe
Herausgeber: Prof. Dr. Dirk Dujesiefken
Verlag: Haymarket Media GmbH & Co. KG
Ort: Braunschweig
Quellenart: Tagungsband
ISBN: 978-3-87815-246-0

Beitrag erstellt von:

Alleen im Wandel