In diesem Artikel wird dargestellt, welche negativen Auswirkungen die räumliche Überlagerung von Mensch und Tier im Straßenraum Brandenburgs haben kann und wie diese vermieden werden können.
Auswirkungen
Die Querung von Wildtieren über Straßen birgt eine Unfallgefahr für Mensch und Tier. Dabei ist die Anzahl tödlich verunglückter und verletzter Personen zwar gering, aber dennoch nicht hinnehmbar. Darüber hinaus hat der Straßenverkehr neben der Mortalität bzw. Verletzungen weitere negative Folgen auf Wildtiere: Die Barrierewirkung bzw. Zerschneidung ihres Lebensraums kann insbesondere bei Arten mit großen Raumansprüchen (z.B. Wildkatze, Luchs, Wolf, Rothirsch, Otter) zu einer zunehmenden Gefährdung der Tiere durch die Entstehung von isolierten Teilpopulationen führen. Brunftplätze können unter Umständen nicht mehr aufgesucht werden. Zudem können Lärm und Licht (ab etwa 100 Kraftfahrzeugen pro Tag) eine gestörte Nahrungsaufnahme und Wahrnehmung von Prädatoren bewirken.
Maßnahmen zur Vermeidung von Wildunfällen
Bestrebungen verschiedener Akteure verfolgen das Ziel Wildunfälle zu vermeiden. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) verfolgt das Ziel „Vision Zero“: Keine Toten im Straßenverkehr und arbeitet an einer Vielzahl von diesbezüglichen Maßnahmen. Auch das Verkehrssicherheitsprogramm des Landes Brandenburg beinhaltet dieses Leitbild.
Im Rahmen des Verkehrssicherheitsprogramm der Bundesregierung 2021 bis 2030 werden Wirksamkeitsanalysen erstellt, auf dessen Basis Strategien zum Umgang mit Wildunfällen erarbeitet werden sollen. Dies wird von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) durch den Forschungsschwerpunkt Wildunfallprävention unterstützt. Außerdem werden seit den 90er Jahren verschiedene Maßnahmen durch den Landesbetrieb Straßenwesen (LS) gemeinsam mit unterschiedlichen Akteuren getestet. Diese Maßnahmen werden je nach ihrem Einfluss in die Kategorien Wild, Mensch und Infrastruktur unterteilt.
Kategorie
Maßnahme
Erfolg/Eignung
Wild
– Duftstoffe
– weiße/silberne Wildwarnreflektoren (WWR)
– rote WWR
– blaue WWR
– Aluminium-Klebeband um Bäume
– Wolfsaugen (zwei Runde Reflektoren auf einer Leiste)
– Zusammenhang von Wildunfällen und Fruchtfolgen auf benachbarten Feldern
Nein
Menschen
– innenbeleuchtete Wildwechsel-Verkehrszeichen mit Lichtschranken oder Radarsensoren als Auslöser (in skandinavischen Staaten)
– blinkende Baustellenleuchte über dem Wildwechsel-Verkehrszeichen bei Dunkelheit
– Ergänzung dieser Verkehrszeichen mit Anzahl der Wildunfälle eines vergangenen Zeiträumen
– geeignete, bezahlbare Systeme für Fahrzeuge (z.B. automatische Bremssysteme)
– 4,5 m breite Bereiche neben der Fahrbahn
– standfeste Bankettbereiche (z.B. Schotterrasen)
– im Einzelfall geeignet, für gesamte Brandenburger Fläche nicht finanzierbar
– durch Zäune, die die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest verhindern sollen ist derzeit keine Auswertung möglich
– laufend
– Abwägung von Größe der Tiere/Menschen gegen Auffahrunfälle sowie ethische Fragen
– Möglichkeit zum rechtzeitigen Ausweichen
– Verringerte Anziehung von und Umgrabung durch Wildschweine(n) (durch Früchte, Eicheln, Larven), verringerte Aquaplaning-Gefahr
Infrastruktur
– Wildschutzzäune
– Rückschnitt von Wildwuchs bis zur Baulastgrenze parallel zur Fahrbahnkante
– Fauna-, Grünbrücken oder Fauna-Unterführungen
– Ja, aber: Barrierewirkung – Platzierung nur an Unfallhäufungsstellen als Lösung nicht möglich, da es diese nicht gibt
– Ja, aber: Gefährdung der Biodiversität
– Ja, Verhinderung der Raumüberlagerung. Größter Erfolg: Grünbrücken
Darüber hinaus gibt es seit 2012 das Programm Wiedervernetzung der Bundesregierung. Auf Grundlage einer „Liste der prioritären Wiedervernetzungsabschnitte“ stehen finanzielle Mittel für Maßnahmen zur Wiedervernetzung an diesen Abschnitten zur Verfügung. In Brandenburg wurden im Rahmen des Teilplans „Biotopverbund Brandenburg“, Teil „Wildtierkorridore“ von 2010 unter Anderem die wichtigsten großräumigen Vernetzungsachsen und ihre dauerhafte Sicherung dargestellt.
Fazit
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass den Wiedervernetzungsmaßnahmen – mit Ausnahme des genannten Bundesprogramms – keine Finanzierungsgrundlagen und Verpflichtungen zugrunde liegen. In einigen Fällen kann eine Finanzierung jedoch anderweitig möglich sein, beispielsweise durch Mittel der Erhaltung auf Grundlage des „Merkblatts zur Anlage von Querungshilfen für Tiere“ des LS.
Zudem wird betont, dass auch andere Faktoren wie Eigentum, Alleenschutz und Biotopschutz berücksichtigt werden müssen.
Autor*in: Dr. Adél Gyimóthy & Autorengruppe
Jahr: 2023
Titel: Der Lebensraum von Wildtieren und die Straße
Seiten: 26-35
In:
Titel: Ich mag Tiere – aber nicht hier!
Untertitel: Wildtier Forum Berlin 2021
Herausgeber: Deutsche Wildtier Stiftung
Auflage: 1. Auflage 2023
Ort: Hamburg
Quellenart: Tagungsband