Diese Publikation widmet sich verschiedenen technischen Verfahren, die unter dem Begriff der „Baumrigole“ gefasst werden. Der urbane Raum ist durch den hohen Versiegelungs- und Bebauungsgrad besonders von den Folgen klimatischer Veränderungen, wie zunehmender Dürre und Überflutungen, betroffen. Daher gewinnt eine wassersensible Stadtentwicklung mit einem Fokus auf vitale Baumbestände und eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung zunehmend an Bedeutung.
Im ersten Teil wurden internationale Verfahrenstechniken zur Kombination aus dezentralem Regenwassermanagement und Baumstandorten systematisiert und eingeordnet. Zudem wurden diesbezügliche Entwicklungen in Deutschland vorgestellt.
Im zweiten Teil werden verschiedene Pilotprojekte sowie Forschungsergebnisse aus dem Projekt BlueGreenStreets (BGS) vorgestellt. Der Fokus liegt dabei auf der kommunalen Planung und Umsetzung von Maßnahmen, der Stoffretention und der Verdunstung.
Zu den untersuchten Kernelementen blau-grüner Straßen zählen u.a. vitale Baumstandorte. Diese werden in hydrologisch optimierte Baumstandorte sowie Baumrigolen mit und ohne Speicherelement unterteilt. Für die Aufrechterhaltung der Vitalität der Bäume und den damit einhergehenden Leistungen zur Minderung von Klimawandelauswirkungen ist eine langfristige Wasserversorgung auch bei längeren Dürreperioden essentiell. Die hydrologische Optimierung von Baumstandorten legt den Fokus auf die Neuanlage, da Eingriffe in existierende Bestände teilweise vegetationstechnisch mit großen Vorbehalten verbunden sind. Baumrigolen mit und ohne Speicherelement werden nur bei Neupflanzungen angelegt. Dabei wird Regenwasser gezielt von angrenzenden Flächen in die Rigole eingeleitet. Zusätzlich werden Substrate verwendet, die den Wasser- und Lufthaushalt optimieren. Baumrigolen mit einer unterirdischen Abdichtung (Speicherelement) schaffen einen langfristigen Wasserspeicher und damit eine erhöhte Wasserversorgung und Verdunstungsleistung.
Im weiteren Verlauf des Artikel werden Planungs- und Umsetzungsprojekte in Hamburg-Harburg, am Rudolfplatz in Berlin-Friedrichshain und in Neuenhagen bei Berlin vorgestellt. Dabei handelt es sich um unterschiedliche bauliche Varianten, darunter die Verwendung unterirdischer Bodenwannen mit Anschluss an Dachflächen, Verdunstungsbeete mit Überläufen in Baumrigolen mit Bodenwannen in Kombination mit einem Notüberlauf in eine Wiesenfläche sowie die hydraulische Optimierung bestehender Baumgruben. Auch in weiteren Kommunen, darunter Bochum, Solingen, Berlin-Mitte und Berlin Steglitz-Zehlendorf, wurden Konzepte und Planungen erstellt bzw. durchgeführt. Auf Grundlage dieser Pilotprojekte wurden wiederkehrende Problemsituationen identifiziert, für die es Lösungen zu finden gilt. Darunter sind Fragen zum Leistungsbestand, zur Hydrogeologie, zu Zuständigkeiten und Betriebsvereinbarungen.
Für die Planung und optimale Auslegung von Rigolenspeicher sind Untersuchungen zur Verdunstungsleistung wichtig. Diese liefern zudem bedeutende Erkenntnisse über die klimatische Wirkung blau-grüner Komponenten. Diese Untersuchungen wurden an Linden (Tilia cordata) an der TU Berlin durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass eine bestmögliche Wasserversorgung einen maßgeblichen Einfluss auf die Verdunstungsleistung haben kann. Zudem zeigte sich der Umfang des Verdunstungspotenzials junger Bäume bei ausreichender Wasserversorgung.
Darüber hinaus wurde im Rahmen des BGS ein Verfahren entwickelt, mit dem sich der Wasserverbrauch und die Verdunstung von Stadtbäumen berechnen lassen. Hierzu wurde die App „Stadtbaum ET“ entwickelt. Mit diesem Verfahren kann somit auch die Auslegung der Bodenwasserspeicher kalkuliert und der Zusatzwasserbedarf abgeschätzt werden.
Bezüglich der Einleitung von Regenwasser sind Erkenntnisse zu Nähr- und Schadstoffen bedeutend. Nach vorläufigen Ergebnissen des BGS zählen die Verkehrsstärke und das Fahrverhalten zu den wichtigsten Faktoren. Hinsichtlich des Niederschlagswassers ist mit einer geringen Belastung zu rechnen. Weitere Untersuchungen zur stofflichen Belastung von Niederschlagswasser sind jedoch geplant und sollen mit Hilfe von Kehricht-Proben, Abspülversuchen und Batchversuchen durchgeführt werden. Dies soll auf langer Sicht in Empfehlungen zu technischen Anpassungen für Baumrigolen münden.
Des weiteren wurden auf der Grundlage bisheriger Ergebnisse zentrale Anforderungen an die Planung identifiziert. Diesbezügliche dimensionierungsrelevante Charakteristika sollen zukünftig in das Planungstool STORM.SIM integriert werden.
Abschließend wird das Potenzial von Baumrigolen angesichts des Klimawandels betont. Weitere Studien zu verschiedenen Bauvarianten und technischen Regelungen von Baumrigolen sowie zu hydraulischer und stofflicher Retention sind notwendig.
Autor*in: Matthias Pallasch, Daniel Geisler und Björn Kluge
Jahr: 2022
Titel: Straßenbäume und dezentrale Versickerung als Beitrag wassersensibler Stadtentwicklung – Teil 1
Seiten: 747 – 759
In:
Titel: KA Korrespondenz Abwasser, Abfall
Auflage: 69, Nr. 9
Herausgeber: Gesellschaft zur Förderung der Abwassertechnik e.V. (GFA)
Verlag: Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA)
Ort: Hennef
Quellenart: Fachzeitschrift
DOI: 10.3242/kae2022.09.001