Zusammenfassung
Eine wassersensible Stadtentwicklung gewinnt in Anbetracht der Auswirkungen des Klimawandels und damit einhergehenden vermehrten Dürreperioden in Verbindung mit Starkregenereignissen zunehmend an Bedeutung für die kommunale Stadtplanung. Dabei kommt insbesondere dem dezentralen Rückhalt von Niederschlagswasser sowie dessen Nutzbarmachung für städtisches Grün und die Hitzevorsorge eine zentrale Rolle zu. Hierzu sind bereits zahlreiche Maßnahmen bekannt, darunter Versickerungsanlagen und sogenannte „urban wetlands“. Dieser Artikel widmet sich den Baumrigolen, bei denen Versickerungsanlagen mit Straßenbäumen kombiniert werden. Sie sorgen neben der Wasserspeicherung für eine bessere Wasserversorgung der Stadtbäume und dienen zudem der Grundwasserneubildung. Vitale Straßenbäume sind durch den Kühlungseffekt essenziell zur Abschwächung der Klimawandelfolgen.
Eingangs werden die Systeme Stormwater Tree Pits, Bioswales/Bioretention Systems und das Stockholmer Modell vorgestellt, die bereits im internationalen Raum genutzt werden. Anschließend wird die Entwicklung der städtischen Wasserbewirtschaftung in Deutschland, von der oberflächlichen Ableitung von Niederschlagswasser hin zu Versickerungsmulden, kurz skizziert. Am Beispiel der Rummelsburger Bucht werden die Vor- und Nachteile von Versickerungsmulden in Kombination mit Gehölzen diskutiert. Bisher wurde dieses System nur in Ausnahmefällen genehmigt. Grund hierfür sind Bedenken hinsichtlich des Grundwasserschutzes, welche Bestandteil von kontroverse Diskussionen und laufenden Forschungsprojekten sind.
Überdies wird die Funktionsweise von Baumscheiben/Pflanzbeeten sowie Baumrigolen mit und ohne Bodenwanne an Beispielen aus der Praxis erläutert.
Hinsichtlich der Niederschlagsbewirtschaftung an Baumstandorten werden Erkenntnisse zur Schadstoffretention, Vitalität und Versickerung vorgestellt. Schadstoffe, wie Schwermetalle, werden vor allem durch Kfz-Verkehr eingetragen. Inwiefern diese Stoffe von Baumsubstraten gefiltert werden ist Gegenstand laufender Forschungen. In bisherigen Studien konnte eine Abnahme der Schwermetalle mit zunehmender Tiefe bei verschiedenen dezentralen Versickerungssystemen festgestellt werden. Bezüglich der Dauerhaftigkeit der Retentionsleistung besteht weiterer Forschungsbedarf.
Die positive Wirkung der Zuführung von Niederschlagswasser auf die Vitalität von Stadtbäumen wurde in mehreren Studien nachgewiesen. Dabei wird die Bedeutung von Drainagen betont, welche auf die Leitfähigkeit des Substrats abgestimmt sein sollte.
Die Versickerungsleistung in Baumrigolen steht im Spannungsfeld zwischen Wasserrückhalt und Entwässerungsleistung. Dies wird häufig durch die Kombination aus durchlässigen Substraten und Speicherelementen (z.B. Bodenwanne) gelöst.
Letztlich werden Erkenntnisse aus Forschungen der Autoren zur Leistung dezentraler Regenwasserbewirtschaftungsanlagen vorgestellt. Bei Untersuchungen zur Hydraulik an Baumrigolen in Berlin-Marzahn zeigte sich, dass die Funktionsfähigkeit auch bei Starkregen aufrechterhalten wird. Im Gegensatz zu den Kontrollpflanzungen hat sich bisher keine verminderte Vitalität beobachten lassen.
Darüber hinaus konnte an Versickerungsmulden eine langfristig verbesserte Versickerungsleistung durch die Durchwurzelung festgestellt werden.
Die Schadstoffretention wurde in Deutschland kaum untersucht. Bisherige Studienergebnisse an mit Gras bewachsenen Versickerungsmulden und Baumrigolen in Berlin-Marzahn zeigten eine ausreichende Reinigungsleistung. Allerdings gibt es dringenden Forschungsbedarf zum Einfluss von Bäumen auf die Schadstoffretention.
Abschließend wird betont, dass langjährige Untersuchungen zu Baumrigolen in Deutschland noch ausstehen. Durch die ähnlichen Boden- und Standortverhältnisse wird jedoch angenommen, dass eine Übertragung von Untersuchungsergebnissen zu Niederschlagsversickerungmulden auf Baumrigolen möglich ist.
Im zweiten Teil werden erste Forschungsergebnisse des Projekts BlueGreenStreets (BGS) vorgestellt, welches sich der multifunktionalen, klimaangepassten Straßengestaltung widmet.
Autor*in: Björn Kluge, Matthias Pallasch, Daniel Geisler und Sven Hübner
Jahr: 2022
Titel: Straßenbäume und dezentrale Versickerung als Beitrag wassersensibler Stadtentwicklung – Teil 1
Seiten: 358 – 376
In:
Titel: KA Korrespondenz Abwasser, Abfall
Auflage: 69, Nr. 5
Herausgeber: Gesellschaft zur Förderung der Abwassertechnik e.V. (GFA)
Verlag: Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA)
Ort: Hennef
Quellenart: Fachzeitschrift